Donnerstag, 1. Dezember 2011

Fernsehen. Na und?

Als ich klein war, lief bei uns jeden Abend der Fernseher.
Für uns Kinder war das ein gelungener Abschluss des Tages, konnten wir doch das genießen, was uns nie überdrüssig erschien: Faulenzen und unterhalten werden. Ich erinnere mich an lebendige Stunden voller Amüsement.  Stunden, in denen wir Kinder später ins Bett gingen als eigentlich vorgesehen. Stunden, in denen wir als Familie vor dem Fernseher saßen und die Zeit als pochenden Schlag des Tages vergaßen. Das Fernsehen schaffte als unterhaltendes Medium einen gemeinsamen Erfahrungsraum, den wir teilten und formten.
Es gab Programmvorschläge, Konsenssuchen. Ein nahezu ritualisiertes Neigungsszenario, das fast immer die Mehrheit zufriedenstellen konnte. Auch, wenn diese aus einer Person bestand. Für meine Eltern definierte sich das Fernsehen vor allem durch angenehm aufzunehmende Inhalte. Die Öffentlich-Rechtlichen waren somit im Abendprogramm nur marginal auf der Bildfläche vertreten. Spielten die Nachrichten bis 20.15 Uhr eine Rolle, so verschwand der bildungsinformative Charakter des Ersten anschließend in den Untiefen der Programmauswahl. Spielfilme standen hoch im Kurs. Abendshows. Unlängst erreichten Wetten, dass? und die Wok-WM Quotenhits in unserem Wohnzimmer. Sie schufen ein stilles Einvernehmen des familiären Daseins.
Die Welt des Fernsehens glich einem Raum, in dem es Glück, Schicksal, Freude und Leid gab. Probleme und Gräueltaten platzierten sich seh- und hörbar im Gerät,  existierten für mich aber nicht außerhalb. Und obwohl ich die Grenze zwischen Fiktion und Realität spürte, war das, was im Fernsehen lief, ein ferner, weitgezogener Brei.
Als ich meine Mutter fragte, warum es in Israel Gewalt gebe, warum im mittleren Osten Krieg herrsche, oder was Überhangmandate seien, stockten die Antworten. Das Ferne raunte aus dem Bildschirm, die Sätze meiner Mutter lösten sich auf in bedecktes Schweigen.
Das, was das Fernsehen übernahm, verloren meine Eltern. Und das, was meine Eltern übernehmen sollten, vernachlässigte das Fernsehen. Doch es rüttelte nicht, es erzählte nicht, es kratzte nicht an mir, weil ich nicht hinterfragte.
Wenn wir abends zusammensaßen, war das Fernsehen unser aller Sprachorgan. Stimmen klangen durch den Raum, vermittelten, diskutierten. Unser Diskurs schwieg indes.
Heute sind nahezu alles Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren online. Vielleicht diskutieren sie in Communities, auf Plattformen, in Foren. Vielleicht informieren sie sich. Das wäre doch etwas, um dem Schweigen in kleinen Schritten entgegenzutreten. Oder um zu lernen, dass es draußen mehr gibt, als das Kollektiv im Haus.

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