Mittwoch, 21. März 2012

Grün wider Willen.

Vor wichtigen oder entscheidenden Wahlen ist die Stimmung parteipolitischer Anhänger zuweilen aufgeladen, energetisch oder emotional. Schließlich entscheidet sich an nur einem Tag, ob der monatelange Wahlkampf bei den Wählerinnen und Wählern Anklang gefunden hat.
Nicht selten resümieren Spitzenkandidaten dann „einen bitteren Tag“ (Steinmeier) oder sprechen „von einem großartigen Erfolg“ (Westerwelle). Der Erfolg bemisst sich an Wählerstimmen und Prozentzahlen.

Nicht selten drängen jedoch parteiinterne wie externe Quälereien abseits des Wahlkampfes in die Öffentlichkeit und werden dort mit offenen Armen aufgenommen.
Jüngst verbreitet die Spitzenkandidaten-Debatte der Grünen heiße Kohlen im Medienfeuer. Parteichefin  Claudia Roth befeuerte die Spekulationen um die Aufstellung eines Spitzenduos, in dem sie in der taz äußerte: "Ja, ich stelle mich zur Wahl, wenn es um die Besetzung eines Spitzenteams für die Grünen geht." Just danach rüffelte Trittin, dass jeder für sich wissen müsse, ob solche Personalspekulationen zum jetzigen Zeitpunkt Sinn machten. Bums – das saß.
Trittin, der für viele Grünen eine nicht wegzudenkende Säule im Spitzengefüge darstellt, weiß um die Wirkung einer öffentlich geführten Personaldebatte. Der FDP hat sie einige Wählerstimmen gekostet. Der SPD (mit der Unterstützung des Altkanzlers Schmidt) ausschließlich temporäre Publicity. Für die Grünen könnte sie den Status einer progressiven, freundlichen, modernen Partei nivellieren. Denn sie zeigt: Auch dort herrschen Machtkalküle, Taktiken und Intrigen.

Dramatisch ist zudem, dass Roth die Personaldebatte mit der Debatte über eine Frauenquote vermischt. Im taz-Interview untermauerte sie: „Die Lösung, dass ein einzelner Mann die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf anführt, völlig unabhängig davon, wer das dann wäre, die wird es deshalb mit mir als Parteichefin nicht geben. Die Quote gehört sozusagen zum grünen Grundgesetz.“
Die Spitzenkandidatur als Spitzenduo also. Postuliert in der linken taz. Wäre man böse, würde man Claudia Roth unterstellen, sie würde ihre personale Beliebtheit ausnutzen, um sich als Spitzenkandidatin (gerade im Hinblick auf eine basisdemokratische Wahl) aufstellen zu lassen. Denn weder Künast noch Löhrmann werden als bundespolitische Spitzen gehandelt. Die von Roth betonte Quotenregelung ist also ein für die Parteichefin wohlschmeckender Schmankerl. Schließlich, so munkelt man, könnte die kommende Bundestagswahl 2013 vielleicht die letzte sein, bei der Roth als Spitzenkandidatin antreten würde.

Die Grünen wollen ihre stilisierte Rolle als gesellschaftliche Vorreiterpartei stärken. Während Trittin als Spitzenkandidat gesetzt ist, bleibt nun die Frage, welche Frau beste Chancen hat, die Spitzenkandidatur nebst Trittin  anzutreten.  Eine breit geführte öffentliche Debatte hinsichtlich grüner Personalpolitik anzustoßen, wäre fatal. Nicht zuletzt deshalb, weil die allseits debattierte Quote auch nach Hinten losgehen kann: Wenn sich die Basis für Trittin als Spitzenkandidaten ausspräche, gemäß seiner Kompetenzen und Qualitäten, wäre die Quotenregelung überflüssig.
Denn schließlich würde dann eintreten, was Politiker samt Entourage doch eigentlich wollen:  Eine Debatte um Kompetenzen, nicht um Geschlechter. Wenn die Grünen das merken, wären sie vielleicht alsbald post-gender. Wie die Piraten.

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