Vor
wichtigen oder entscheidenden Wahlen ist die Stimmung parteipolitischer
Anhänger zuweilen aufgeladen, energetisch oder emotional. Schließlich
entscheidet sich an nur einem Tag, ob der monatelange Wahlkampf bei den
Wählerinnen und Wählern Anklang gefunden hat.
Nicht selten
resümieren Spitzenkandidaten dann „einen bitteren Tag“ (Steinmeier) oder sprechen
„von einem großartigen Erfolg“ (Westerwelle). Der Erfolg bemisst sich an
Wählerstimmen und Prozentzahlen.
Nicht selten
drängen jedoch parteiinterne wie externe Quälereien abseits des Wahlkampfes in
die Öffentlichkeit und werden dort mit offenen Armen aufgenommen.
Jüngst verbreitet
die Spitzenkandidaten-Debatte der Grünen heiße Kohlen im Medienfeuer. Parteichefin
Claudia Roth befeuerte die Spekulationen
um die Aufstellung eines Spitzenduos, in dem sie in der taz äußerte: "Ja,
ich stelle mich zur Wahl, wenn es um die Besetzung eines Spitzenteams für die
Grünen geht." Just danach rüffelte Trittin, dass jeder für sich wissen
müsse, ob solche Personalspekulationen zum jetzigen Zeitpunkt Sinn machten. Bums
– das saß.
Trittin, der
für viele Grünen eine nicht wegzudenkende Säule im Spitzengefüge darstellt,
weiß um die Wirkung einer öffentlich geführten Personaldebatte. Der FDP hat sie
einige Wählerstimmen gekostet. Der SPD (mit der Unterstützung des Altkanzlers
Schmidt) ausschließlich temporäre Publicity. Für die
Grünen könnte sie den Status einer progressiven, freundlichen, modernen Partei
nivellieren. Denn sie zeigt: Auch dort herrschen Machtkalküle, Taktiken und
Intrigen.
Dramatisch
ist zudem, dass Roth die Personaldebatte mit der Debatte über eine Frauenquote
vermischt. Im taz-Interview untermauerte sie: „Die Lösung,
dass ein einzelner Mann die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf anführt,
völlig unabhängig davon, wer das dann wäre, die wird es deshalb mit mir als
Parteichefin nicht geben. Die Quote gehört sozusagen zum grünen Grundgesetz.“
Die Spitzenkandidatur als Spitzenduo also. Postuliert in der
linken taz. Wäre man böse, würde man Claudia Roth unterstellen, sie würde ihre
personale Beliebtheit ausnutzen, um sich als Spitzenkandidatin (gerade im
Hinblick auf eine basisdemokratische Wahl) aufstellen zu lassen. Denn weder
Künast noch Löhrmann werden als bundespolitische Spitzen gehandelt. Die von
Roth betonte Quotenregelung ist also ein für die Parteichefin wohlschmeckender
Schmankerl. Schließlich, so munkelt man, könnte die kommende Bundestagswahl
2013 vielleicht die letzte sein, bei der Roth als Spitzenkandidatin antreten
würde.
Die Grünen wollen ihre stilisierte Rolle als gesellschaftliche
Vorreiterpartei stärken. Während Trittin als Spitzenkandidat gesetzt ist,
bleibt nun die Frage, welche Frau beste Chancen hat, die Spitzenkandidatur
nebst Trittin anzutreten. Eine breit geführte öffentliche Debatte
hinsichtlich grüner Personalpolitik anzustoßen, wäre fatal. Nicht zuletzt deshalb,
weil die allseits debattierte Quote auch nach Hinten losgehen kann: Wenn sich
die Basis für Trittin als Spitzenkandidaten ausspräche, gemäß seiner
Kompetenzen und Qualitäten, wäre die Quotenregelung überflüssig.
Denn schließlich würde dann eintreten, was Politiker samt
Entourage doch eigentlich wollen: Eine
Debatte um Kompetenzen, nicht um Geschlechter. Wenn die Grünen das merken, wären
sie vielleicht alsbald post-gender. Wie die Piraten.
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